Warum wir keine Angst vor der zukünftigen Weltmacht haben sollten Von Jörg Himmelreich
Der indische Elefant erhebt sich – gemächlich, aber zielstrebig. Indien steht in der öffentlichen und außenpolitischen Aufmerksamkeit weiterhin im Schatten Chinas. Dabei gibt es keinen Zweifel, dass in dem neuen Gleichgewicht der Mächte im beginnenden 21. Jahrhundert mit Indien ein neuer Akteur von entscheidender globaler Bedeutung heranreift. Die USA haben das Zukunftspotential Indiens übrigens längst erkannt. Das breite deutsche Publikum mag sich Indien über die diesjährige Frankfurter Buchmesse und über Bollywood nähern – und das ist schon ein wichtiger Schritt –, doch am Ende sagen die Bollywood-Filme so viel über Indien aus wie die Bad Segeberger Karl-May- Festspiele über Deutschland.
Was macht Indien nicht nur kulturell, sondern politisch so faszinierend? Indien ist mit 1,1 Milliarden Einwohnern nicht nur die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt, sondern ein Kontinent der Gegensätze: 35 Hauptsprachen mit eigenen Grammatiken und mitunter Schriftzeichen, neben unzähligen Dialekten, kaum eine Glaubensrichtung, die nicht vertreten ist, mehr als 100 Ethnien umfasst das indische Staatsvolk. Die indische Demokratie blickt auf eine jahrhundertealte Tradition zurück, in der die Macht des Arguments mehr galt als das Argument der Macht.
Trotz der jahrhundertelangen Unterdrückung demokratischer Tradition und Ausbeutung durch das britische Kolonialreich, war diese Kultur des „argumentativen Indiens“ (Amartya Sen) so tief verwurzelt, dass Indien nach seiner Unabhängigkeit 1947 daran anknüpfen konnte. Die Abwahl Indira Gandhis 1977, nach dem sie ein Jahr zuvor über Notstandsgesetze die Pressezensur und die Verhaftung führender Oppositionspolitiker durchgesetzt hatte, zeigt, wie tief die Demokratie – aufgrund einer nichtwestlichen Tradition – verankert ist.
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